Sehr geehrter Herr Schwarz,
der Rundfunkstaatsvertrag,
der bundeseinheitliche Regelungen für das Rundfunkrecht schafft, ist ein Vertrag
zwischen allen Bundesländern. Diese Regelung haben also alle Bundesländer
geschaffen.
Zum Hintergrund der Änderung
des Rundfunkstaatsvertrags:
Vor längerer Zeit hatte das
Bundessozialgericht in einem höchstrichterlichen Urteil einmal darauf
hingewiesen, dass die Gebührenbefreiung für einen Teil der schwerbehinderten
Menschen n i c h t mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sei und daher
abgeschafft gehöre. Das höchste Sozialgericht in der Bundesrepublik sah also in
der Gebührenbefreiung für einen Teil der schwerbehinderten Menschen eine nicht
tragbare Bevorzugung dieses Personenkreises. Begründet wurde das damit, dass
heutzutage quasi jeder Haushalt über einen Fernseher oder Radio oder
internetfähigen PC verfüge und hier kein Unterschied oder kein
behinderungsbedingt notwendiger Mehraufwand für behinderte Menschen gegenüber
nicht behinderten Menschen entstehe.
Damals sahen die politisch
Verantwortlichen allerdings trotz dieses Urteils davon ab, den
Rundfunkstaatsvertrag zu ändern bzw. auch die gebührenbefreiten
schwerbehinderten Menschen zur Kasse zu bitten.
Historisch gesehen, waren
die sogenannten Nachteilsausgleiche für Menschen mit Behinderung (u. a.
Rundfunkgebührenbefreiung u. v. m.) in der Tat immer nur durchsetzbar und darauf
hin ausgerichtet, lediglich die besonderen Belastungen bzw. der rein
behinderungsbedingter Mehraufwand, den nur schwerbehinderte Menschen im
Vergleich zu nicht behinderten Menschen zu tragen haben, auszugleichen.
2010 gab es dann das
Rechtsgutachten von Prof. Kirchhoff, in dem - mal stark verkürzt formuliert - er
sich für einen geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag, der auch unabhängig von der
tatsächlichen Nutzung oder der Bereitstellung eines Empfangsgeräts zu zahlen
sei, aussprach. Diskutiert wurde zwischenzeitlich sogar eine „Medienabgabe“, bei
der dann auch noch Gebühren für alle möglichen Medien- und Presseerzeugnisse
(egal ob gedruckt oder
virtuell) angefallen wäre.
In dieser medienpolitischen Gemengelage ist großen Verlagskonzernen der
öffentliche rechtliche Rundfunk im allgemeinen und dessen kostenlose
Internetangebote, Mediatheken etc. (Stichtwort
„Tagesschau-App“) ein Dorn
im Auge. Die private Wirtschaft hofft natürlich, die eigenen, bislang
kostenlosen Angebote im Internet künftig kostenpflichtig vermarkten zu können.
Da stört natürlich ein kostenloses Angebot der Öffentlich-Rechtlichen.
Die Länder traten in
Verhandlung und stellten Eckpunkte zu einer möglichen Reform des Staatsvertrags
auf. Zu diesem Zeitpunkt intervenierte der VdK, also bereits im Vorfeld eines
Gesetzentwurfs. Wir konnten eine Beteiligung am Verfahren erreichen, so dass uns
der Gesetzentwurf zur Verfügung gestellt wurde, wir eine schriftliche
Stellungnahme dazu abgeben sowie an einer mündlichen Anhörung teilnehmen
konnten. In der VdK-Zeitung und auf den Internetseiten wurde übrigens immer
wieder seit 2010 über das Thema und unsere Aktivitäten dazu
berichtet.
Im Oktober 2010 nahmen wir
an einer mündlichen Anhörung der Bundesländer teil. Anwesend waren Vertreter der
Rundfunkanstalten und die Medienreferenten aller Bundesländer und weitere
Interessensvertreter und Verbände. Wir haben in dieser Anhörung alle Argumente
aus unserer Stellungnahme vorgetragen und uns vehement dafür eingesetzt, dass es
bei einer vollständigen Gebührenbefreiung bleibt.
Nachdem der Entwurf des
Rundfunkstaatsvertrags auf Landesebene ins Gesetzgebungsverfahren ging, haben
unsere VdK-Landesverbände noch einmal bei den jeweiligen Landesregierungen
interveniert und sich für die Beibehaltung der Gebührenbefreiung für den
Personenkreis der schwerbehinderten Menschen
eingesetzt.
Nicht möglich ist es uns
allerdings, als Verband ein demokratisch legitimiertes Gesetzgebungsverfahren
(ob Bund- oder Ländersache) zu verhindern.
Die entsprechenden
Mehrheiten in Bund und Ländern sind nun mal von den Wählern so bestimmt worden.
Der Rechtsweg ist nicht nur
nicht erfolgversprechend sondern auch für den VdK nicht gangbar, da es sich hier
nicht um Sozialrecht handelt.
In jedem Fall sollte die
Betroffenen prüfen, ob nicht auch eine komplette Beitragsbefreiung aus
Einkommensgründen möglich ist. An diesen Befreiungstatbeständen (z. B. Bezug von
Grundsicherung etc.) hat sich nichts geändert. Es ist in der Tat dann
umständlicher als vorher, weil jedes Jahr der Antrag gestellt und mit
entsprechenden Unterlagen und Bescheiden eingereicht werden muss.
Mit freundlichen Grüßen
Dorothee
Czennia
Referentin Abt.
Sozialpolitik
Sozialverband VdK
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Präsidentin Ulrike
Mascher
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